14.11.2013 · In der EU wächst die Hoffnung, dass die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko doch noch eine Haftunterbrechung bekommt. Nach Informationen der F.A.Z. haben die Unterhändler entsprechende Signale erhalten.
Von KONRAD SCHULLER, WARSCHAU
Unter europäischen Politikern wächst die Hoffnung, dass der ukrainischen Oppositionsführerin Julija Timoschenko schon in der kommenden Woche eine Haftunterbrechung gewährt wird. Nach Informationen der F.A.Z. haben die Unterhändler der EU, der frühere Präsident des Europaparlaments Pat Cox sowie der ehemalige polnische Staatspräsident Aleksander Kwasiewski, aus der Umgebung vom Sekretär der ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrates Andrij Kljujew, einem Vertrauten des Präsidenten, entsprechende Zusagen erhalten. Das Parlament, in dem die Partei Präsident Viktor Janukowitschs die Mehrheit hat, könnte demnach am Dienstag doch noch das Gesetz verabschieden, das es der in der Haft erkrankten Timoschenko erlauben würde, ihr Rückenleiden im Ausland behandeln zu lassen. Der Präsident sei bereit, ein entsprechendes Gesetz schon am Tag danach zu unterzeichnen.
Unter dem Eindruck dieser Ankündigungen beschlossen die Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments, der „Rat der Präsidenten“, in dessen Auftrag Cox und Kwasniewski unterwegs sind, die Mission der beiden Emissäre nicht am 13. November zu beenden wie ursprünglich geplant, sondern sie bis zum EU-Gipfel in Vilnius Ende November zu verlängern. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), wurde gebeten, die EU-Außenminister, die eigentlich am kommenden Montag schon eine Empfehlung über Unterzeichnung oder Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens abgeben sollten, ebenfalls um Aufschub zu bitten. Die Minister treffen sich unmittelbar vor dem Gipfel noch einmal, und könnten gegebenenfalls auch dann noch entscheiden.
Hat Janukowitsch einen Deal mit Russland?
Die EU hatte die Entlassung Frau Timoschenkos, die nach einem international heftig kritisierten Prozess im Gefängnis sitzt, zur Bedingung für die Unterzeichnung eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der Ukraine gemacht, die für den EU-Gipfel in Vilnius geplant ist.
Mitglieder des Rates des „Rates der Präsidenten“ zeigten nach dem Scheitern des Freilassungsgesetzes am Mittwoch eine Mischung aus Enttäuschung und letzter Hoffnung. Die Grünen-Politikerin Rebecca Harms sagte dieser Zeitung, man sei sich einig gewesen, es noch einmal zu versuchen, weil der EU die Assoziierung mit der Ukraine „ein echtes Anliegen“ sei. Brok von der Europäischen Volkspartei, zu der CDU und CSU gehören, sagte, nach dem Fehlschlag im Kiewer Parlament am Mittwoch gebe es einerseits ernste Zweifel am Willen Präsident Janukowitschs, Frau Timoschenko freizulassen. Andererseits sei man sich im Rat der Präsidenten „einig gewesen, dass man letzte Chancen nicht verpassen darf“.
Janukowitschs Einigungswillen ist nach Ansicht von Eingeweihten in der EU allerdings nach einem überraschenden Besuch beim russischen Präsidenten Putin am vergangenen Wochenende wieder sehr zweifelhaft. Niemand kenne seine Absichten, keiner wisse, ob er statt der Assoziierung mit der EU nicht doch einer Zollunion mit Russland, zu der Moskau ihn drängt, den Vorzug geben wolle. Das würde eine Assoziierung mit der EU unmöglich machen. Es gibt Vermutungen, dass der Präsident die Freilassung Timoschenkos verzögere, weil er „einen Deal mit Russland haben könnte, der nebenher läuft“. Möglicherweise stehe er auch unter Druck, weil er russische Sanktionen fürchte, die seine Chancen bei der Präsidentenwahl Anfang 2015 schmälern könnten. Erst in den vergangenen Tagen war Janukowitsch von ukrainischen Geschäftsleuten öffentlich aufgefordert worden, die Assoziierung mit Europa aufzuschieben, weil die Gefahr russischer Vergeltungsmaßnahmen zu groß sei.
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