Interview: Susan Bonath
Rechtsanwältin fordert nach privatem Brandgutachten neue Ermittlungen im Fall Oury Jalloh. Ein Gespräch mit Gabriele Heinecke
Gabriele Heinecke vertritt die Familie des im Polizeigewahrsam verbrannten Flüchtlings in der Nebenklage
Mit welchem Ziel beauftragte die Initiative »In Gedenken an Oury Jalloh« den Sachverständigen Maksim Smirnou?
Die Initiative hat getan, was die Nebenklage vom Landgericht Magdeburg mehrfach vergeblich gefordert hatte. Für zwei offizielle Gutachten ist die Matratze nie bis zum Schluß abgebrannt worden, es wurde zudem kein Körper aufgelegt. Zuletzt haben wir Dezember 2012, kurz vor Ende des Prozesses, ergänzende Experimente beantragt. Diese sollten mit und ohne Brandbeschleuniger und aufliegendem Schweinekörper stattfinden, und zwar bis zum vollständigen Abbrand der mit schwer entflammbarem Kunstlederbezug versehenen Matratze – bis das vorgefundene Brandbild erreicht ist. Dies wurde jedoch abgelehnt.
Inwieweit konnte das Brandbild aus der Zelle von Smirnou reproduziert werden?
Die Ergebnisse dieser ersten Versuche sind verblüffend. Ein so vollständiger Abbrand wie im Fall Oury Jalloh konnte nur nach Entfernen des oberen Teils der Matratzenhülle und unter Einsatz von Brandbeschleunigern erzielt werden.
Die Initiative plant, einen weiteren Mediziner hinzuzuziehen. Was müßte dieser analysieren?
Es sollte ein Rechtsmediziner im Ausland beauftragt werden. In Magdeburg hatte der Sachverständige Gerold Kauert erklärt, daß allein schon Immobilisierung, noch mehr aber Bedrohung durch Feuer massiven Streß erzeugt. Dabei werden Katecholamine gebildet, das sind Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin. Ist der Kreislauf aktiv, werden diese eine bis anderthalb Minuten nach dem Ereignis über die Niere in den Urin ausgeschieden. Bei Oury Jalloh konnte nichts nachgewiesen werden. Für uns bedeutet das, daß er bei Ausbruch des Feuers bewußtlos gewesen sein muß. Gelebt hat er aber noch, denn es fand sich Ruß in Lunge und Magen.
Müßte die Staatsanwaltschaft jetzt ein neues Ermittlungsverfahren aufnehmen?
Die Ergebnisse des Sachverständigen Smirnou sollten dringender Anlaß für die Staatsanwaltschaft sein, sich das Gutachten genau anzusehen und Smirnou offiziell zu befragen. Über eine weitere Expertise sollte zügig entschieden werden, um dann endlich Versuche in Zelle 5 im Dessauer Polizeirevier durchzuführen.
Die Initiative hat inzwischen Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gestellt. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Dem mittlerweile entstandenen Mosaik zufolge besteht der Verdacht, daß das präsentierte Feuerzeug nicht aus Zelle 5 stammt und daß Oury Jalloh bewußtlos war. Stimmen die Annahmen, muß wohl ein Polizeibeamter das Feuer gelegt haben. Das wäre so ungeheuerlich, daß von der Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft auszugehen ist, weil eine solche Tat das Erscheinungsbild der BRD im Ausland beeinträchtigen könnte.
http://www.jungewelt.de/2013/11-19/009.php