The Money Trap – Die Geldfalle

The Money Trap – Die Geldfalle

19.11.2013 13:54

19. November 2013 um 13:07 Uhr

Verantwortlich: Jens Berger
Als Griechenland vor fast vier Jahren ins Schleudern geriet, glaubten einige Analysten (so auch ich), dies sei wohl der Anfang vom Ende des Euro, Europas gemeinsamer Währung. Andere waren da optimistischer und meinten, strenge Liebe – an Reformen gebundene temporäre Unterstützung – würde bald zu einer Erholung führen. Keines der Lager bekam Recht. Stattdessen haben wir eine Dauerkrise, die sich irgendwie nie aufzulösen scheint. Immer, wenn Europa abzustürzen droht, finden die Politiker einen Weg, das völlige Desaster abzuwenden. Aber immer, wenn es Anzeichen eines wirklichen Aufschwungs gibt, geht wieder irgend etwas schief. Von Paul Krugman, aus dem Englischen übersetzt von Sabine Tober.

Und jetzt ist es wieder mal so weit. Vor gar nicht langer Zeit wurde von offizieller europäischer Stelle erklärt, der Kontinent habe die Kurve gekriegt, das Vertrauen der Märkte kehre zurück, und es gäbe wieder Wachstum. Aber nun gibt es neuerlichen Anlass zu Beunruhigung, weil ein Großteil Europas vom Gespenst der Deflation bedroht ist. Und die Diskussion darüber, wie damit umzugehen sei, wird zusehends hässlicher.

Zum Hintergrund: Die Europäische Zentralbank oder EZB, Europas Gegenstück zur Federal Reserve, soll die Inflationsrate bei etwa 2 Prozent halten. Warum nicht bei Null? Aus verschiedensten Gründen, aber der wichtigste ist zur Zeit, dass eine allgemeine Inflationsrate zu nahe an der Nullgrenze für die problembelasteten Länder Südeuropas praktisch Deflation bedeuten würde. Und Deflation hat unangenehme Begleiterscheinungen, besonders in Ländern, die schon hoch verschuldet sind.

Deshalb ist es sehr beunruhigend, dass die europäische Inflationsrate weit unter die Zielvorgabe zu sinken beginnt; Im vergangenen Jahr stiegen die Verbraucherpreise nur um 0,7 Prozent, und auch die “Kernverbraucherpreise”, die die unbeständigen Nahrungsmittel- und Energiepreise ausklammern, stiegen nur um 0,8 Prozent.

Es musste etwas geschehen, und so hat die EZB letzte Woche die Zinsen gesenkt. Wie das oft mit politischen Entscheidungen ist, war diese ebenso erforderlich wie unzureichend: Europas Wirtschaft braucht ganz klar einen Anstoß, aber das Vorgehen der EZB wird sich auch im Bestfall nur geringfügig auswirken. Immerhin war es ein Schritt in die richtige Richtung.

Trotzdem war dieser Schritt äußerst umstritten, sowohl innerhalb als außerhalb der EZB. Und die Kontroverse nahm bedenkliche Formen an, bedenklich zumindest für alle diejenigen, die Europas schreckliche Geschichte im Gedächtnis haben. Denn die Argumententation über Europas Währungspolitik ist nicht nur ein Kampf der Ideen; Mehr und mehr klingt sie auch nach einem Kampf der Nationen.

Wer stimmte beispielsweise gegen die Zinssenkung? Die beiden deutschen Mitglieder des EZB-Rats sowie die Präsidenten der holländischen und der österreichischen Zentralbank. Von wem außerhalb der EZB wurde die Vorgehensweise am schärfsten kritisiert? Von deutschen Ökonomen, die das Vorgehen der EZB nicht nur inhaltlich kritisierten, sondern auch dezidiert auf die Nationaltät ihres Präsidenten Mario Draghi hinwiesen, der Italiener ist. Der einflussreiche deutsche Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn erklärte, Herr Draghi versuche, Italien Zugang zu zinsgünstigen Darlehen zu verschaffen. Und der leitende Ökonom der wöchentlich erscheinenden WirtschaftsWoche nannte die Zinssenkung ein “Diktat der neuen Banca d’Italia in Frankfurt”.

Solche Anspielungen sind wirklich unfair Herrn Draghi gegenüber, dessen Bemühungen, die Eurokrise aufzufangen, ja fast schon heroisch sind. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass der Euro ohne seine Führungsrolle in den Jahren 2011 und 2012 wahrscheinlich zusammengebrochen wäre. Aber von einzelnen Persönlichkeiten einmal abgesehen: Was hier so erschreckt, ist, wie sehr dies immer mehr nach so etwas wie Teutonen versus Südländer aussieht, wobei der Euro – der doch Europa zusammenbringen sollte – es eher auseinanderzieht.

Was geschieht hier? Zum Teil geht es um nationale Stereotypisierung: Die deutsche Öffentlichkeit will nun aber auch völlig sichergehen, dass diese faulen Südeuropäer sich nicht mit ihrem schwerverdienten Geld davonmachen. Aber ein reelles Problem gibt es hier auch. Die Deutschen hassen die Inflation geradezu, und wenn es der EZB gelingt, die durchschnittliche europäische Inflationsrate wieder auf ungefähr 2 Prozent anzuheben, dann steigt dadurch die Inflation in Deutschland – das boomt, obwohl andere europäische Länder unter wirtschaftkrisen-mäßiger Arbeitslosigkeit leiden – und zwar steigt sie dann bedeutend höher, womöglich auf 3 Prozent oder mehr.

Das klingt vielleicht schlimm, aber genau so soll der Euro ja funktionieren. Tatsächlich muss er sogar so funktionieren. Wenn man zusammen mit anderen Ländern eine gemeinsame Währung hat, gibt es eben manchmal eine überdurchschnittlich hohe Inflationsrate. In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise hatte Deutschland eine niedrige Inflationsrate, während Länder wie Spanien eine relativ hohe hatten. Jetzt verlangen die Spielregeln einen Rollentausch, und die Frage ist, ob Deutschland diese Spielregeln auch akzeptiert. Die Antwort darauf ist noch nicht klar.

Wobei es, wie gesagt, wirklich traurig ist, dass der Euro Europa doch eigentlich zusammenbringen sollte in substanzieller wie symbolischer Hinsicht, dass er zu engerer wirtschaftlicher Verknüpfung führen und gleichzeitig das Gefühl gemeinsamer Identität stärken sollte, dass wir nun aber ein Klima der Verärgerung und Geringschätzung auf der Seite von sowohl Gäubigern als auch Schuldnern haben. Und da ist das Ende überhaupt noch nicht abzusehen.

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  • Erstellt von Netpress-Admin In der Kategorie Allgemein am 19.11.2013 13:54:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 19.11.2013 13:54
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