KLAGEN GEGEN HOSPIZE Was gehen uns die Schwachen an?

KLAGEN GEGEN HOSPIZE Was gehen uns die Schwachen an?

23.11.2013 14:43

In mehreren Städten klagen Anwohner gegen Hospize und Sterbehäuser in ihrer Nähe. Die Gesellschaft darf sich eine derart zelebrierte Egozentrik nicht gefallen lassen. EIN KOMMENTAR VON KARSTEN POLKE-MAJEWSKI


Glückliches Harburg, wo die Unsterblichen wohnen und natürlich nicht vom Tod belästigt sein wollen. Liebenswertes Hagen, wo Sandburgen-Bauer und Partygänger vor vorbeifahrenden Leichenwagen geschützt werden sollen. Streitbares Arnsberg, wo ehrbare Bürger vor Gericht gegen die Hospiz-Bedrohung kämpfen. Sollen die Sterbenden doch sehen, wo sie ihre letzten Tage verbringen.

Drei Beispiele, drei Mal dasselbe Muster: Bürger, Anwohner, reichen Klage dagegen ein, dass in ihrer unmittelbaren Umgebung ein Rückzugsort für sterbenskranke Menschen eingerichtet wird. Die Gründe: Verstöße gegen Bauvorschriften. Sorge um ein möglicherweise erhöhtes Verkehrsaufkommen durch Besucher- und Krankenwagen. Angst davor, später selbst angesprochen zu werden, wenn's im eigenen Garten einmal lauter her geht. Alles fadenscheiniger Unsinn.

Man ahnt: Es geht um etwas ganz anderes. Hier wollen Leute ihre Ruhe, basta. Was geht mich Wohlstandsbürger das Leid der anderen an und was ihr Leben? Also wird gegen Kindergärten und Pflegeheime geklagt, gegen Flüchtlingsunterkünfte und jetzt also sogar gegen Sterbehäuser.

Das Leben ist größer als das eigene Wohnzimmer

Das Schlimmste daran: Die Chance, solche Prozess zu gewinnen, stehen gar nicht so schlecht. Denn die Kläger sind clever. In Harburg haben sie ja gar nichts gegen die Sterbenden, nein, nein. Nur die zusätzliche Verschattung, die ihrem Grundstück durch den Umbau des zweigeschossigen Hospizgebäudes drohen könnte, könnte ja vorschriftswidrig sein.

Wie lange will sich unsere Gesellschaft solche öffentlich zelebrierte Egozentrik eigentlich noch gefallen lassen? Das Leben ist größer als das eigene Wohnzimmer, und es geschehen leider viele unschöne Dinge darin. Nicht jeder lebt im Sonnenschein. Aber es lässt sich eben auch eine Menge dafür tun, es für alle erträglicher zu gestalten. Der tausendfache Einsatz von Hospizmitarbeitern und Unterstützern zeugt davon.

Der Rechtsstaat ist eine der größten Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft. Aber wenn er dazu missbraucht wird, dass sich Einzelne über das Wohl der Schwachen erheben, dann ist etwas faul in diesem Staat

http://www.zeit.de/gesellschaft/2013-11/...mmentar-harburg

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  • Erstellt von Netpress-Admin In der Kategorie Allgemein am 23.11.2013 14:43:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 23.11.2013 14:43
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