Wütende Reaktionen auf erneuten US-Drohnenangriff in Pakistan. Nachschubwege nach Afghanistan gesperrt
Von Hilmar König, Neu-Delhi
In der nordwestpakistanischen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa hat am Sonntag eine Blockade der Nachschubwege des US-Militärs nach Afghanistan begonnen. Mit der Aktion, zu der die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) aufgerufen hat, soll gegen die Drohnenüberfälle der USA auf pakistanisches Gebiet protestiert werden. Die Verkehrsverbindungen sollen erst wieder geöffnet werden, wenn Washington auf die Attacken verzichtet, so PTI-Chef Imran Khan. Doch auch wenn die nördliche Nachschubroute für die NATO-Fahrzeuge für längere Zeit gesperrt bleiben sollte, können diese Zufahrtswege durch die südwestliche Provinz Belutschistan benutzen. Deshalb fordert Imran Khan eine landesweite Blockade.
Schon am Samstag hatten die PTI und ihre Koalitionspartner Jamaat-e-Islami und Awami Jamhuri Ittehad in Peschawar über 10000 Menschen mobilisiert, die sich an Kundgebungen, Demonstrationen, Sitzstreiks an fünf Verkehrsknotenpunkten und Straßenblockaden beteiligten. Mit Sprechchören wie »Nieder mit den USA!« und »Beendet die Drohnenattacken!« machten sie ihrem Ärger über die Politik Washingtons Luft. Aktueller Anlaß der Proteste war der jüngste Überfall vom 21. November in Hangu. Sechs Menschen wurden dort getötet, darunter angeblich ein afghanischer Taliban-Kämpfer. Die PTI und die Provinzregierung bewerten die Überfälle der unbemannten, ferngesteuerten und mit Raketen bestückten Flugkörper, denen die Zivilbevölkerung schutzlos ausgeliefert ist, als grobe Verletzung der Menschenrechte sowie der staatlichen Souveränität Pakistans.
Imran Khan erklärte am Samstag auf der Kundgebung in Peschawar, es werde so lange keinen Frieden in Pakistan geben, bis die Drohnenangriffe eingestellt werden. Die Zentralregierung in Islamabad müsse sich endlich entscheiden, ob sie weiterhin Partner der USA im »Krieg gegen den Terrorismus« sein wolle. Washington habe bereits den Versuch von Friedensgesprächen mit den Taliban torpediert, als es am 1. November deren Führer Hakimullah Mehsud mit einem Drohneneinsatz ermordete. Jetzt habe das Pentagon in einem bislang befriedeten Gebiet der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa zugeschlagen. Diese »Versklavung und Demütigung« müsse endlich aufhören. Die Provinzregierung verlangt von Premier Nawaz Sharif die Einberufung eines Allparteienmeetings, das eine gemeinsame eindeutige Position beschließen soll.
Islamabad befindet sich in der Zwickmühle. Einerseits ist es von Washingtons Militär- und Entwicklungshilfe abhängig und kann deshalb praktisch nichts gegen den Drohneneinsatz unternehmen. Andererseits muß es Rücksicht auf die US-feindliche Stimmung in der Bevölkerung nehmen. Deshalb verurteilt die Regierung offiziell die Überfälle. Premier Nawaz Sharif bezeichnete sie am Freitag auf einer Konferenz als »beleidigend und entsetzlich«. Er verwies darauf, daß er bei seinem Treffen im September mit Barack Obama ein Ende des Einsatzes dieser Waffen verlangt hat. Dazu habe der US-Präsident genickt.
2008 hatte die Washington Post von einem »Geheimdeal« mit Islamabad über die stillschweigende Duldung der Drohneneinsätze berichtet. Und in einem Beitrag der Londoner Times ein Jahr später hieß es, die Flugkörper würden von einer Basis in Pakistan gestartet. Mit den Drohnenattacken begonnen hatte George W. Bush im Jahr 2004. Unter Obama wurden sie beträchtlich intensiviert. Mindestens 2800 Menschen, überwiegend Zivilisten, aber auch pakistanische Militärs und prominente Taliban kamen durch diese bislang ums Leben.
http://www.jungewelt.de/2013/11-25/027.php