Hintergrund. Das Beispiel des neonazistischen »Objekt 21« zeigt die enge Vernetzung und Zusammenarbeit deutscher und österreichischer »Kameradschaften«. Für die Behörden beider Länder stellte dies lange kein Problem dar
Von Martina Renner
Als Philip T. am 24. Oktober 2013 vor dem Landesgericht Wels in Oberösterreich als Zeuge vorgeführt wird, ist er kaum wiederzuerkennen. Mit wallender Mähne und langem Bart, in Jogginghose und zu engem T-Shirt, hat er optisch wenig gemein mit dem jungen Hitleristen, der schon als 20jähriger den Scheitel auf der rechten Seite trug, und dem späteren braunen Liedermacher »Reichtstrunkenbold«, als der er jahrelang in der Neonaziszene seine Vernichtungsphantasien intonierte.
Auch im »Freizeit- und Kulturverein Objekt 21«, der zentralen Immobilie der Neonazis in Oberösterreich, gab er mehrfach bei sogenannten Liederabenden sein Repertoire zum Besten. Darunter auch das Lied »In Buchenwald«, das auf seiner 2010 erschienenen CD »Der Untergrund stirbt nie« zu finden ist. Philip T. covert damit den Titel »In Belsen« der Naziband »Kommando Freisler« von deren CD »Geheime Rechtssache«. CD und Band waren mehrfach Gegenstand von Ermittlungsverfahren, Durchsuchungen und Verurteilungen. In dem Lied wird offen der Naziideologie gefrönt. So heißt es darin: »In Buchenwald, in Buchenwald, da wird kein Jude richtig alt; Fiederallala, fiederallala, fiederallalalala.«
Obwohl den deutschen Sicherheitsbehörden der Aliasname »Reichstrunkenbold« für Philip T. bekannt war, stellte die Staatsanwaltschaft Cottbus 2012 ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen Urheber und Produzenten der oben genannten beiden CDs ein, da »keine erfolgversprechenden Ansätze zur Strafverfolgung des im Ausland befindlichen Verantwortlichen (…) vorlagen«. (Antwort des Bundesinnenministerium auf die schriftliche Anfrage 11/38,39)
Philip. T. der gebürtige Hesse und Ziehsohn des Rechtsterroristen und Holocaustleugners Manfred Roeder, wird aber demnächst in Österreich als Angeklagter vor Gericht stehen. Ihm werden Verstöße gegen das NS-Wiederbetätigungsverbot, das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Seine Liedtexte werden dann sicher auch eine Rolle spielen. Ahndet doch Paragraph drei des »Verbotsgesetzes« in Österreich sowohl den Versuch, »eine gesetzlich aufgelöste nationalsozialistische Organisation aufrechtzuerhalten«, als auch die »Betätigung im nationalsozialistischen Sinn«. Philip T., der als fliegender Händler nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in Österreich Naziutensilien jeder Art – von verbotenen Schriften über Uniformen bis Hitlerbüsten – an den braunen Kameraden brachte, wartet nun auf seinen Prozeß. In Österreich drohen für NS-Wiederbetätigung Freiheitsstrafen von bis zu 20 Jahren.
Seinen ersten Auftritt vor dem Landesgericht in Wels im Zuge des ersten Verfahrens gegen Vereinsmitglieder und Hintermänner des braunen »Objekt 21« genießt er sichtbar. Den angeklagten sieben Männern, darunter die bekannten oberösterreichischen Neonazis Jürgen Windhofer und Manuel Spindler, ruft er beim Rausgehen zu: »Haltet durch, Jungs! Alles für Deutschland!« Auch als die Richterin den Geschworenen eine Kiste mit Nazidevotionalien zeigt, gibt Philip T. unumwunden zu, daß es sich dabei um sein Eigentum handelt.
Die Fahnen, Armbinden, CDs, Krüge, Standarten mit Hakenkreuz oder SS-Runen waren am 24. Mai 2009 von der Polizei in einem PKW beschlagnahmt worden, der sich auf der Rückfahrt von einem Neonazikonzert im oberösterreichischen Grünau befand. Aber er gehe davon aus, daß er sich die Dinge nun nicht mit in seine Zelle nehmen dürfe, meint er provozierend gegenüber der Richterin und den Geschworenen. Philip T., der in Österreich verhaftet wurde, ist aber nicht der einzige Neonazi mit bundesdeutschem Paß, der sich demnächst vor österreichischen Gerichten verantworten muß.
Thüringens Rechte
Im Zusammenhang mit den kriminellen und neonazistischen Aktivitäten eines braunen Netzwerkes rund um den Nazihof im oberösterreichischen Desselbrunn führten die österreichischen Ermittler von Polizei und Verfassungsschutz auch zu zwei Neonazis aus Thüringen, die nach ihrer Auslieferung durch die bundesdeutschen Behörden nun ebenfalls in Österreich in Untersuchungshaft sitzen. Dem Netzwerk werden schwerste Straftaten wie Brandstiftung, Körperverletzung, schwere Nötigung und Drohungen vorgeworfen, oftmals im Zusammenhang mit Aktivitäten im Rotlichtmilieu.
Die beiden in diesem Zusammenhang verhafteten Neonazis Andreas P. und Steffen M. sind mit Philip T. gut bekannt. War er doch während seines Studiums in Erfurt in der Thüringer Neonaziszene als Agitator und Organisator aktiv. In der Landeshauptstadt gehörte er zur »Kameradschaft Freiheitskämpfer« und trat unter anderem als Redner bei der dritten »Süd-West-Thüringer Runde freier Nationalisten« im südthüringischen Dillstädt auf. Zuletzt bewohnte er zusammen mit zwei bekannten Neonazis einen Dreiseitenhof im sachsen-anhaltinischen Görschen.
Die Autos mit österreichischen Kennzeichen, die regelmäßig dort vor der Tür standen, verbinden dieses Objekt in Sachsen-Anhalt mit den anderen Naziimmobilien, die Antifaschisten zufolge als Proberäume und Tonstudios für Neonazibands genutzt werden und im Rahmen des deutsch-österreichischen Netzwerkes eine Rolle spielen. Genau auf diesen Netzwerkcharakter deutet hin, daß der Ende August in Thüringen inhaftierte Steffen M. gleich an zwei Nazihäusern in dem Bundesland beteiligt ist. Zum einen an der »Hausgemeinschaft Jonastal« in Crawinkel, einer ehemaligen Gaststätte mit Nebengebäuden im Landkreis Gotha, die er zusammen mit den Bandmitgliedern der Nazikultband »SKD« (Sonderkommando Dirlewanger) bewohnte, und einem weiteren Haus, das Steffen M. kürzlich im Ballstädt erwarb.
Die braune Hausgemeinschaft in Crawinkel macht gar keinen Hehl aus ihrer Sympathie für den Terror des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU). Das reicht von der Sammlung von Geld mittels eines Lieds von SKD auf einer Soli-CD über Transparentaktionen zum Tag des Prozeßbeginns vor dem Oberlandesgericht München bis hin zu Einträgen in soziale Netzwerke nach dem Motto: Hätten gewisse Leute mal weitergemacht, man steht zu den Taten und den Tätern.
Insbesondere mit dem Terrorhelfer Ralf Wohlleben ist man gut befreundet. Kein Wunder. Waren doch zwei der in Crawinkel ansässigen Neonazis, Thomas W. und Marco Z., schon in der »Sektion Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen« aktiv. Einer der Abteilungen des »Thüringer Heimatschutzes« (THS), dem als Mitglieder der »Kameradschaft Jena« auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Ralf Wohlleben sowie Holger Gerlach angehörten. Nimmt man noch die guten Kontakte der »Hausgemeinschaft Jonastal« zu dem Saalfelder Neonazi Andreas Rachhausen hinzu, so ergibt sich das Bild einer schon Ende der 1990er Jahre weitverzweigten militanten Szene in Thüringen. War doch Andreas Rachhausen nicht nur ein Aktivist der ersten Stunde in der »Sektion Saalfeld« des THS. Er war es auch, der das verunglückte Fluchtauto von Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe aus Sachsen nach Thüringen zurückbrachte. Heute hält sich Rachhausen häufig in Ballstädt auf. Dort ist er, wie der ebenfalls mehrfach durch die Polizei wegen des Verdachtes des illegalen Waffenbesitzes durchsuchte Steffen Richter aus Saalfeld, mittlerweile Dauergast.
Verbindungen nach Österreich
Aber auch die Besuche aus Österreich sind gut dokumentiert. So waren österreichische Neonazis mehrfach in Crawinkel einquartiert. Windhofer und weitere im Zusammenhang mit dem »Objekt 21« einschlägig in Erscheinung getretene Neonazis waren häufige und gerngesehene Gäste: zu Konzerten, zur Abwicklung der kriminellen Machenschaften, zur gemeinsamen Pflege der Idee des bewaffneten Kampfes. Beteiligt auf beiden Seiten auch einige Frauen aus der rechten Szene, nicht nur Partnerinnen der jeweiligen Neonazis, sondern auch überzeugte Anhängerinnen der nazistischen Ideologie.
Die deutschen und österreichischen Ermittlungsbehörden registrierten die Kontakte, jedoch erschwerten die Landesgrenzen den Austausch an Erkenntnissen. Zudem verkannten die Ermittler offenbar den organisatorischen Hintergrund der deutsch-österreichischen Neonazikontakte und den engen Zusammenhang von neonazistischen Straftaten und organisierter Kriminalität in allen Spielarten. Von illegaler Prostitution über Rauschgiftdelikte bis hin zu verbotenem Waffenhandel. Die grenzüberschreitende Vernetzung der braunen Szene geht auf die frühen 2000er Jahre zurück. Nach dem Verbot von »Blood&Honour« (B&H) in der Bundesrepublik suchten viele Neonazis den Kontakt nach Österreich. Dort konnte man ungehindert aktiv sein, zumal die österreichischen B&H-Anhänger gerne Unterstützung leisteten. Formationen wie die Band »Stoneheads« aus dem Vorarlberg traten in Deutschland auf. Im Gegenzug waren bundesdeutsche Nazibands wie »SKULD« aus Thüringen immer wieder zu Gast in Österreich.
Auch bei Großevents der deutschen Neonazis wie dem B&H nahestehenden »Fest der Völker« (FdV) traten Besucher aus Österreich im Programm auf. Hier spielt insbesondere Andreas Mayerhofer eine zentrale Rolle. Mit einer Schar Neonazis aus Südtirol reiste er 2009 zum FdV in Pößneck. Aber er machte schon Anfang der 2000er Jahre Neonazis aus Österreich mit Kameraden insbesondere im Raum Gotha bekannt. Enge persönliche Verbindungen unterhielt Mayerhofer zu Marco Z., einem Bewohner der »Hausgemeinschaft Jonastal« und ehemaligen Unterstützer der 2011 verbotenen »Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige« (HNG).
Daneben pflegten Aktivisten aus Deutschland beste Kontakte zum »Bund freier Jugend« (BfJ) in Österreich, wo sowohl Philip T. als auch der Ostthüringer Liedermacher Robert S. (alias Julmond) ihre Nazilieder klampften. Im Gegenzug wurden Mitglieder der »Heimattreuen deutschen Jugend« (HDJ) im Umfeld des »Objekt 21« festgestellt. Diese Personen standen auch in engem Austausch mit dem 2011 verstorbenen Herbert Schweiger, der grauen Eminenz der deutsch-österreichischen Neonaziszene, wie er vom antifaschistischen Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes bezeichnet wurde. Exemplarisch für die Zusammenarbeit von Schweiger mit bekannten bundesdeutschen Neonazis kann auf die Gründung der Tarnorganisation »Deutsch-Russische Friedensgesellschaft Europäischen Geistes« verwiesen werden. Der Verein mit Sitz im thüringischen Arnstadt wurde von Herbert Schweiger, dem bekannten Neonazi Thorsten Heise, Steffen H. aus dem Umfeld der HDJ und Patrick Wieschke (derzeit NPD-Landesvorsitzender in Thüringen) geführt. An der Gründung am 5. August 2006, die wesentlich die Ziele der HDJ vorantreiben sollte, nahmen neben den späteren Vorstandsmitgliedern auch Alexander K. aus Sachsen, der heutige Abgeordnete der NPD im Schweriner Landtag, David Petereit, Heiko F. aus Erfurt, der Liedermacher Robert S. aus Gera und nicht zuletzt besagter Philip T. teil.
Faschistischer Rückzugsort
Das Gros bundesdeutscher Neonazis, die regelmäßig im »Objekt 21« zu Gast waren und sich an der gut dokumentierten, länderübergreifenden Zusammenarbeit beteiligen, scheint aus Thüringen und Bayern zu stammen. Daneben waren aber auch Aktivisten aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Nordrhein-Westfalen vor Ort. So posiert Jens B. von der Band »Sturmwehr« aus Gelsenkirchen auf Fotos aus dem »Objekt 21«. In Bayern unterhielt das »Objekt 21« insbesondere Kontakte zur Neonaziszene in München und Passau. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen sowie antifaschistischer Recherchen wurde deutlich, daß nicht wenige deutsche Nazis auch ganz nach Österreich zogen.
So lebte Ronny B. aus Dessau, der eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren für einen brutalen Angriff auf Linke verbüßte, nach seiner Haftentlassung für einige Zeit in Österreich und wurde dort in der »Nationalen Volkspartei« (NVP) Steiermark aktiv. Ronny B. werden ebenfalls Aufenthalte im »Objekt 21« nachgesagt. Auch Jörg S. aus Chemnitz, der verschiedene Funktionen in der sächsischen NPD ausübte und zeitweise Administrator der rechtsextremen Homepage alpen-donau.info war, besaß einige Zeit eine Meldeadresse in Österreich.
Ganz nach Österreich zog es Sven G. Der Arnstädter war 2005 an einem Angriff auf eine junge Antifaschistin am Rande eines neofaschistischen »Heldengedenkens« am Volkstrauertag beteiligt. Ihm wird ein enges Vertrauensverhältnis zu Philip T. nachgesagt. Eine Zeugin im jetzt abgeschlossenen Prozeß vor dem Landesgericht Wels erinnerte sich an einen Sven, der regelmäßig bei Philip T. zu Gast war. Direkt im »Objekt 21« wohnte zeitweise der Thüringer Neonazi Andreas P., der nach einem Angriff auf Migranten in einer Regionalbahn eine Haftstrafe verbüßte. Nach der Entlassung war es Philip T., der den im Gefängnis durch die HNG betreuten Andreas P. nach Österreich holte, denn dort lockten Unterkunft, Kameradschaft und finanzielles Auskommen. Wie letzteres zustande kam, wird das Landesgericht Wels in dem anstehenden Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung rund um das »Objekt 21« klären.
Organisierte Kriminalität
Unter den etwa 35 Angeklagten werden auch Andreas P. und Steffen M. vor Gericht stehen. Andreas P. soll der Kopf des »Escortservice« genannten illegalen Prostitutionsgewerbes gewesen sein. Andreas P. zeigte sich im Zeugenstand auskunftswillig. Er schilderte exakt die hierarchischen, fast schon paramilitärischen Strukturen im »Objekt 21«. Über Stellung im Objekt und verübte Straftaten gaben Tätowierungen Auskunft, die ähnlich wie Rangabzeichen dem inneren Kern des Netzwerkes vorbehalten waren.
Andreas P. und Steffen M. wird neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auch die Beteiligung an einem Brandanschlag auf ein Bordell in Wien vorgeworfen. Wer nun meint, die Verflechtung der Neonazis mit der organisierten Kriminalität und besonders dem Rotlichtmilieu sei neu, der irrt. Schon Ende der 1990er Jahre stiegen Mitglieder des THS, der Kernorganisation des NSU, in diese Geschäfte ein. In der »Sektion Saalfeld-Rudolstadt« häuften sich in diesen Jahren Verkäufe von Hehlerware, gewalttätiges Eintreiben von Schulden und erste Waffendelikte. 1999 verschaffte sich die Szene durch einen bewaffneten Überfall auf einen Geldtransporter im ostthüringischen Pößneck den finanziellen Grundstock für den Betrieb eines Bordells mit dem Namen »Blue Velvet« in Rudolstadt. Verfahren wegen Schleuserkriminalität, die in diesen Jahren gegen Neonazis aus dem Raum Saalfeld-Rudolstadt, zum Beispiel durch Behörden in Sachsen eingeleitet wurden, lassen vermuten, daß schon früh im Bereich illegale Prostitution und Frauenhandel kriminelle Tätigkeit entfaltet wurde.
Problematisch an den Ermittlungen der Polizei war schon damals, daß durch die organisatorische Trennung der Bereiche Staatsschutz und Organisierte Kriminalität in der Kriminalpolizei kein systematisches Verständnis vom Zusammenhang zwischen rechtsextremen und schwerkriminellen Aktivitäten entwickelt wurde. Erst die Debatte um die Mordtaten des NSU und dessen Verbrechen wie Banküberfälle zur Absicherung der Untergrundaktivitäten machte erstmals öffentlich bekannt, was Kenner der braunen Szene schon lange beobachtet hatten. Vielfach dienen kriminelle Aktivitäten zur Absicherung klandestiner Strukturen. Nicht wenige Köpfe der Neonazis wie der Baden-Württemberger Andreas N. waren an Banküberfällen beteiligt.
Die Verschränkung von Teilen der Neonaziszene mit der organisierten Kriminalität hat strategische Züge. Der Handel mit Waffen und der Besitz auch von halbautomatischen und automatischen Waffen nimmt in diesem Zusammenhang zu. Dies wurde auch noch einmal deutlich, als im Zuge der Festnahme von Steffen M. in Thüringen ein Waffenlager mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen ausgehoben wurde. Die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden denken viel zu sehr in den Zuständigkeitsgrenzen ihrer polizeilichen Strukturen. Ein Austausch zwischen den Dezernaten Staatsschutz und Organisierte Kriminalität ist selten.
So gab auch antifaschistische und journalistisch-investigative Recherche in Oberösterreich den Anstoß für das Anfang November mit Verurteilungen von 18 Monaten bis sechs Jahren abgeschlossene Verfahren nach Paragraph drei des Verbotsgesetzes in Österreich. Obwohl die Polizei regelmäßig im »Objekt 21« war, registrierte sie nicht die dort vorgefundenen Symbole, Schriftzüge, Konterfeis und Gegenstände, die offen dem »Nationalsozialismus« huldigten und fortgesetzt dessen Ideologie und Organisationen verherrlichten. Erst als im Mai 2010 entsprechende Fotos nicht nur bei der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden auftauchten, sondern auch in der österreichischen Tagespresse veröffentlicht wurden, wurden die Behörden aktiv – es folgten Durchsuchungen und Festnahmen. Es ist kein gutes Zeichen, daß der Anstoß dazu von außen kommen mußte.
Öffentlichkeit und Medien sollten kritisch verfolgen und nachhaken, welche Gefahren von diesen grenzüberschreitenden militanten braunen Netzwerken ausgehen und ob die Behörden darauf adäquat und konsequent reagieren. Eine Frage ist auch, inwieweit die Verfassungsschutzbehörden auf bundesdeutscher Seite in diesem Netzwerk Spitzel führen und aus Gründen des sogenannten Quellenschutzes unzureichende oder verspätete Informationen an die Ermittlungsbehörden geben.
Sofern erneut nachrichtendienstlich erworbene Erkenntnisse seitens der Dienste dazu führen, daß die Polizei entsprechende Hinweise nicht verwerten kann, würde sich der fatale kontraproduktive Einfluß der Verfassungsschutzbehörden in diesem Falle, wie schon bei der Nichtergreifung des NSU ausführlich dokumentiert, wiederholen. Dabei geht es auch hier um nicht mehr und nicht weniger als Neonazis, die vor schweren Gewalttaten bis hin zu versuchtem Mord nicht zurückschrecken. Philip T. hat es besungen. Auf der CD »Viel Asche um Nichts« aus dem Jahre 2009 singt er im Titel »Brauner Terrorist«: »Das deutsche Volk hat die Schnauze voll und findet meine Anschläge auf ihre Feinde echt toll; Die Kaffer müssen um ihr Leben rennen, denn trotz der hohen Spritpreise sind ihre Häuser am brennen; Ja so langsam wird es wieder wie früher und das deutsche Volk verlangt nach einem großen Führer; Ich bin ein Attentäter, bestrafe all die Volksverräter, ich bin ein Rassist, so ein richtig brauner Terrorist.« Spätestens nach der Selbstenttarnung des NSU müßte man wissen, daß dies nicht nur Worte oder Drohungen sind, sondern die Begleitmusik zu Mord und Terror.
Martina Renner ist Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag. Sie war bis September 2013 innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag und Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuß. Sie ist Mitglied im Landesvorstand des VVN/BdA Thüringen und publiziert bzw. referiert zu den Themen »Neonazismus« und »Geheimdienste«.
http://www.jungewelt.de/2013/11-29/009.php