Alle mal reinkommen, in den griechischen Reggae-Rock von Locomondo
Von Christof Meueler
Die Abschaffung des Staates Griechenland wird hierzulande gerne »griechische Krise« genannt. »Die Leute, die vorher Geld hatten, haben immer noch Geld«, sagt Markos Koumaris, Sänger von Locomondo, einer der bekanntesten Bands des Landes. Sparen sollen doch die, die blöd genug dafür sind. Als kürzlich der amtierende Fußballmeister Olympiakos Piräus in einer Woche nicht nur Benfica Lissabon, sondern auch zwei Lokalrivalen schlug, tat der Sponsor zwei Millionen Euro Belohnung für die Mannschaft raus. Achtzig Prozent des griechischen Vermögens gehört vielleicht 20 Prozent der Bevölkerung, meint Locomondos deutscher Promoter Takis Mitsidis – »und die meisten von denen haben noch nicht einmal eine Steuernummer«, ergänzt Koumaris. Zahlen müssen die, die schon immer korrekt gezahlt haben, zum Beispiel die Eltern der Bandmitglieder, deren Rente sich allmählich auflöst, wie Gitarrist Giannis Varnavas erzählt.
Wir sitzen in der Taverna Trilogie in Berlin-Schöneberg. Ich bin der einzige, der »griechischen Wein« trinkt, nicht ganz so sentimental wie einst von Udo Jürgens besungen. Meiner kommt von der Insel Santorin und schmeckt fein und mild. Das Jürgens-Lied wurde von Locomondo schon gecovert. Kürzlich haben sie den 79jährigen sogar in den Berliner Hansa-Studios getroffen und waren sehr stolz. Jürgens nahm da seine Platte für nächstes Jahr auf und Locomondo eine Reggaeversion von »Alle Vögel sind schon da« und »Hänschen Klein« in einem coolen Instrumentalmix, kein Scherz. Zu finden als letzter Track auf »New Day Rising«, ihrem neuen Album. Koumaris, der in Freiburg studiert und in einer Jazz Band mit der Musik angefangen hat, ist nicht nur Fan von Udo Jürgens, sondern auch von deutschen Kinder- und Weihnachtsliedern, die seiner Ansicht nach mehr knallen als die griechischen. Als Roots-Reggae-Rockband schmeißen Locomondo eh’ alles zusammen und zwar so, daß man schnellstmöglich reinkommt in diese Musik.
Wie reagiert die griechische Kulturindustrie auf die Verarmung breiter Teile ihrer Käuferschichten? Ein normaler griechischer Popstar bekommt pro Konzert knapp 7000 Euro, jeder seiner Begleitmusiker 100 oder 150, schätzt Koumaris. Und wenn es jetzt nur noch 5000 oder 6000 sind, dann schmeißt er seine Mitmusiker raus. »Er tritt allein mit Gitarre oder Triangel auf und sagt, das wäre sein neuer kultureller Vorschlag«, lacht Koumaris. Bei Locomondo dagegen kosten die Platten nur noch fünf Euro. Alle sieben Bandmitglieder bekommen dasselbe, inklusive Tontechniker (der auch auf den Plakaten draufsteht: Thanasis Tampakis). Über die Lieder, die auf Platte sollen, wird basisdemokratisch abgestimmt, auch wenn Koumaris sich als »Boß der Band« begreift und Varnavas als »Bewußtsein der Band«. Den Schlagzeuger, Stratos Soundris, nennen sie »Vater der Band«, weil er schon 53 ist und die Ruhe weg hat. Denn Soundris begegnet den täglichen Absurditäten, als würde er sie sich gerade in einem Film anschauen.
Zum Beispiel die Tatsache, daß die linken Parteien in Griechenland nominell die Mehrheit haben. Bloß wollen sie die nicht organisieren. Es geht zu wie bei Monty Python. Auf dem Wahlzettel standen untereinander die »Marxistisch-Leninistische Partei Griechenlands« und die »Leninistische-Marxistische Partei Griechenlands«. Getrennt marschieren, getrennt untergehen – für viele Linke das A und O, weil es angeblich das Parteiprogramm verlangt.
Locomondo spielen sich dagegen im In- und Ausland den berühmten Arsch ab. Mit einem alten Bonmot, das mal jemand über Bruce Springsteen fallenließ, könnte man sagen: Die eine Hälfte der Leute liebt sie, die andere Hälfte hat sie noch nicht live gesehen. Kommt zusammen, Leute, jetzt am Samstag im Bi Nuu in Berlin-Kreuzberg.
Locomondo: »New Day Rising« (Monopol Records)
live am heutigen Samstag, 20. 30 Uhr, Bi Nuu, Berlin
http://www.jungewelt.de/2013/11-16/048.php