Snowden reloaded

Snowden reloaded

22.11.2013 10:59

Zwei Tage diskutierte Hans-Christian Ströbele (Grüne) in London mit britischen Parlamentariern
Von Michael Merz


Rockstars haben häufig das Problem, nach den Ausschweifungen einer umjubelten Tournee wieder in den Alltag zurückzufinden. Auch Hans-Christian Ströbele hat mit seinem Besuch bei Edward Snowden einen Karrieregipfel hinter sich gelassen. Anfang des Monats strahlte Ströbele von allen Titelseiten. Er wird wohl dem amerikanischen TV-Sender, der ihn sogar als deutschen Außenminister titulierte, nicht widersprochen haben. Der Coup wird weiter ausgekostet, auch wenn Ströbele in Moskau eher der Groupie des Stars war.

Dienstag und Mittwoch dieser Woche hat der Grünen-Parlamentarier auf Einladung des Labour-Abgeordneten Tom Watson in London verbracht. Was wird er wohl diesmal mitgebracht haben? Die Erwartungen der Medienvertreter, die ihn am Donnerstag in Berlin erwarteten, waren nicht allzu hoch gesteckt. Doch sie wurden noch untertroffen. Substantielles hatte Ströbele nicht im Gepäck, schon gar keinen zweiten Snowden-Knüller.

Zwölf Abgeordnete aller Fraktionen des britischen Unter- und Oberhauses habe Ströbele getroffen und festgestellt, daß das Aufsehen, das die NSA-Spionage in Deutschland genießt, »in Großbritannien in diesem Maße noch nicht angekommen ist«. Das Thema in allen Gesprächen? Man ahnt es: Ströbeles Besuch in Moskau. Gratulationen habe es selbst von konservativen Abgeordneten gegeben. Daß er einen »guten Job« gemacht habe, hätte er auch gern in Deutschland gehört, sagt Ströbele. Was das für ein Mann sei, der Asyl in Deutschland anstrebe, und ob jetzt die Terroristen über alles Bescheid wüßten, wurde Ströbele von den Briten gefragt. Er habe dann sein »großes Anliegen, Snowden in Sicherheit zu bringen« geschildert. Wer denn nun mehr gelernt habe während des London-Besuchs, die britischen Abgeordneten oder der Grüne? Ströbele: »Ich glaube, die erstmal mehr von mir«. Er wünsche sich im britischen Parlament eine Debatte über die NSA-Spionage.

Das Ergebnis der Reise findet Ströbele »richtig gut«. Es sei der Sache dienlich, Kontakt zu den Parlamenten in Ländern zu haben, die für die Spionage in Deutschland verantwortlich seien. Ströbele traf auch den Vorsitzenden des Geheimdienst-Kontrollausschusses im Unterhaus, den früheren Außenminister Malcolm Rifkind. Beide Seiten hätten Interesse an Informationsaustausch und engerer Zusammenarbeit bekundet. Doch Näheres sei von den britischen Abgeordneten auch nicht zu erfahren gewesen, beispielsweise zu den Vorwürfen, Großbritannien zapfe Glasfaserkabel an oder betreibe in Deutschland Spionage von der britischen Botschaft aus.

Was sind nun die Konsequenzen der Spionage-Affäre? Der Eindruck, daß nach der Bundestagssitzung am Montag die Forderung nach dem Snowden-Asyl im Sande verläuft, drängt sich auf. »So ist es nicht«, sagte Ströbele der jungen Welt. »Es geht weiter, die Aufklärungsbemühungen sind noch nicht mal richtig losgegangen.« Etwas nebulös bleibt der Grüne, spricht man ihn darauf an, ob denn der Kontakt zu Snowden nach wie vor bestehe. »Wenn es dringend ist, könnte ich was vermitteln«, ließ er jW wissen. Sollte die Kanzlerin ein kleines Dankeschön an Snowden loswerden wollen, stehe er gern zur Verfügung. Eilig hat Ströbele es offenbar nicht, Snowden in Deutschland zu begrüßen. Das sei jetzt nicht das Thema, der parlamentarische Untersuchungsausschuß sei frühestens in drei Monaten soweit – »der muß entscheiden«. Und das gehe nur, wenn es ein Agreement mit den Amerikanern gebe. »Einen Bruch mit den Amerikanern will ich auch nicht riskieren.«

Eine handfeste Aktion gibt es noch aus London zu vermelden: Ströbele forderte in der britischen Hauptstadt offiziell Auskunft darüber ein, ob auch er selbst vom britischen Geheimdienst ausgespäht wurde. Diese Möglichkeit müsse man ausschöpfen, sagte er.

http://www.jungewelt.de/2013/11-22/038.php

Einstellungen
  • Erstellt von Netpress-Admin In der Kategorie Allgemein am 22.11.2013 10:59:00 Uhr

    zuletzt bearbeitet: 22.11.2013 10:59
Artikel empfehlen
Andere Artikel dieser Kategorie, die für Sie interessant sein könnten: Neueste Artikel der Kategorie Allgemein

Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen


Xobor Xobor Blogs
Datenschutz